Wer sich mit all den belastenden Klima-Fakten auseinandersetzt, landet auch in allen möglichen belastenden Gedanken, Gefühlen, Sinnfragen … Deshalb haben wir hier ein paar Links zusammengestellt von Menschen, deren spirituell-psychologischer Ansatz hilfreich sein kann – auch für diejenigen, die sich keiner bestimmten Glaubensrichtung zugehörig fühlen.
Hilfreiche Impulse
Jack Kornfield ist Autor, Buddhist und einer der bekanntesten Lehrer die buddhistische Achtsamkeitspraxis im Westen vermitteln. Auf seiner Webseite finden sich unzählige Texte, Meditationen und Videos. Wer sich für den Newsletter anmeldet, erhält immer wieder hilfreiche und inspirierende Impulse per Mail. Hier ein kurzer Textauszug von ihm, der uns an unsere gegenseitige Abhängigkeit und Zusammengehörigkeit erinnert:
Jack Kornfield: Wir sind nicht allein
“Eines der schwierigsten Dinge in schweren Zeiten ist, dass wir oft das Gefühl haben, dass wir alleine hindurch müssen. Aber wir sind nicht alleine.
Tatsächlich ist unser Leben nur möglich, weil es vor uns Tausende von Generationen gab, Überlebende, die das Licht der Humanität durch schwierige Zeiten von einer Generation zur nächsten getragen haben. Sogar Jesus hatte schwere Zeiten. Ebenso Buddha. Manchmal wurden sie verfolgt, bedroht, körperlich angegriffen und verachtet. Doch ihre inneren Gaben übertrafen alle ihre Schwierigkeiten.
Wir können, während wir diese Worte lesen, uns als Teil des Stroms der Menschheit begreifen, der zusammen vorwärtsgeht und Wege findet, um das Licht der Weisheit, des Mutes und des Mitgefühls durch schwierige Zeiten zu tragen. (…)
“Wir sind nicht getrennt, wir sind voneinander abhängig”, erklärte Buddha.
Selbst der unabhängigste Mensch war einst ein hilfloses Kind, das von anderen versorgt wurde. Mit jedem Atemzug atmen wir Kohlendioxid und Sauerstoff mit dem Ahorn und der Eiche, den Hartriegel- und Rotholzbäumen unserer Biosphäre ein. Unsere tägliche Nahrung verbindet uns mit dem Rhythmus von Bienen, Raupen und Wurzelstöcken. Es verbindet unseren Körper mit dem gemeinsamen Tanz unzähliger Pflanzen- und Tierarten.
Nichts ist getrennt. Wenn wir das nicht verstehen, sind wir zerrissen zwischen der Fürsorge für uns selbst und der Fürsorge für die Nöte der Welt.”
“Ich stehe morgens auf”, schrieb der Essayist E. B. White, “und bin hin und her gerissen zwischen dem Wunsch, die Welt zu retten, und dem Wunsch, sie zu genießen.”
Das psychologische Wissen um die gegenseitige Abhängigkeit hilft, dieses Dilemma zu lösen. Durch das liebevolle Bewusstsein von Achtsamkeit und Meditation entdecken wir, dass die Dualität von Innen und Außen falsch ist. Wir können die ganze Schönheit und den Schmerz des Lebens in unserem Herzen halten und zusammen mit Mut und Mitgefühl atmen.”
Tara Brach: Radikale Akzeptanz
Tara Brach ist Psychologin, Autorin und Lehrerin für (buddhistische) Meditation. Ihr Ansatz ist, ebenso wie der von Jack Kornfield, eine Verbindung westlicher Psychologie und östlicher spiritueller Praktiken. Auch Tara Brach bietet viele Vorträge auf ihrer Webseite an und einen Newsletter, den man sich per Mail schicken lassen kann. Ein Vortrag (25 min.) über ihren Weg zu einer veganer Ernährung – aus Mitgefühl den Tieren gegenüber, aber auch angesichts der Bedeutung des Fleischkonsums für den Klimawandel, undogmatisch und inspirierend, findet sich hier. Und ein Zitat von ihr, ein Auszug über ihren Ansatz im Umgang mit Angst, der auch im Bezug auf Klimaangst hilfreich sein kann.
Umgang mit Angst – und mit Klimaangst
“Angst macht oft Überstunden. Selbst wenn es gerade keine unmittelbare Bedrohung gibt, bleibt unser Körper oft angespannt und auf der Hut. In diesem Fall funktioniert die Angst nicht mehr, um unser Überleben zu sichern. Wir sind in der Trance der Angst gefangen und unsere unmittelbare Erfahrung, von Augenblick zu Augenblick, ist in Reaktivität gebunden. Wir verbringen unsere Zeit und Energie damit, unser Leben zu verteidigen, anstatt es vollständig zu leben.”
Tara Brach
Wut und Schmerz angesichts der Klima-Ungerechtigkeit
Wir sind angesichts der Klimakrise nicht nur mit Angst, sondern auch mit Wut, Hass und Schmerz konfrontiert, wenn wir uns mit Fragen der Klima-Ungerechtigkeit und den Verlierern der Globalisierung konfrontieren.
Auch dazu gibt es einen kurzen, sehr berührenden talk von Tara Brach, in dem sie über ihre persönliche Reaktion auf die jüngsten Attentate in Amerika beschreibt, unter anderem in El Paso (3. August 2019), wo ein Fanatiker mindestens 22 Menschen getötet und 26 weitere verletzt hat, mit dem Ziel eine „Invasion von hispanischen Immigranten“ in Texas zu stoppen – und der amerikanische Präsident bei seinen Besuchen in Dayton und El Paso die gleiche abwertende und spaltende Sprache wie Attentäter verwendet. Wie gehen wir um mit der Ohnmacht angesichts weinender mexikanischer Immigranten-Kinder, an deren Schulbeginn ihre Eltern verhaftet und wie Kriminelle abgeführt werden.
Wie gehen wir mit Gefühlen um, die sich angesichts solcher Entwicklungen einstellen – wozu, wie ich finde, auch Scham gehört. “Wut ist initiativ (und insofern intelligent und angemessen), aber nicht transformativ”, sagt Tara Brach. Was das in dieser konkreten Situation bedeutet – ohne eine Lösung für die politischen Probleme zu haben – darüber spricht sie in diesem Video.
“Dunkelheit kann unsere Dunkelheit nicht vertreiben, nur Licht kann das. Hass kann Hass nicht auflösen, das kann nur die Liebe.” Martin Luther King
Thay Phap Luu: Meditation und “right action”
Und hier noch der Link zu einem Dharma talk von Thay Phap Luu (Plum Village) vom Juli 2019, er spricht unter anderem darüber, wie “awakening to non-fear in a climate crisis” möglich ist. Auch dieser Vortrag ist wohltuend, auch wenn man kein Schüler oder Anhänger von Thich Nhat Hanh ist.
Hier ein Auszug aus dem Dharma talk (einen längeren Text-Auszug aus dem oben verlinkten talk, in dem Thay Phap Luu auch konkret auf die Klimakrise eingeht, findet Ihr hier, allerdings auf Englisch):
“Wir in Plum Village kultivieren die Fähigkeit, in Harmonie zu leben. Und Harmonie ist nicht unbedingt eine Eigenschaft, von der wir in den Nachrichten hören. Wir hören von Menschen, die Werbung machen. Für die Demokratie. Werbung machen für Handel und Wirtschaft. Viele verschiedene Ideologien in der Welt werden beworben. Aber ich kann mich nicht erinnern, wann ich das letzte Mal in die Zeitung oder eine Nachrichtenseite geschaut habe und etwas über ein Land erfahren habe, das in Harmonie lebt. Oder eine Stadt, in der die Menschen in Harmonie leben. Das ist irgendwie keine Nachricht. Aber die gelebte Erfahrung, in Harmonie zu leben, in einer harmonischen Familie, in einer harmonischen Gemeinschaft, ist sehr wundervoll. Ich denke, das sollte ganz oben in den Nachrichten stehen.
Stellt euch vor, wenn wir die Zeitung aufschlagen und ganz oben von einer Gemeinschaft lesen können, die in Harmonie lebt. Wo Menschen einander zuhören. Sich anlächeln. Jeden Tag. Wo Menschen teilen, ihre materiellen Ressourcen mit anderen teilen. Wo Menschen miteinander über Ideen diskutieren, zu einem Konsens kommen, stellt Euch vor – stellt Euch die „New York Times“ vor, ganz oben steht: „Gemeinschaft in Ioha lebt in Harmonie“ Oder: „In einer Gemeinschaft in Mississipi setzt man sich hin und hört einander zu.“ Einmal pro Woche. Stellt Euch vor … das ist also die Art von liebevoller Gemeinschaft, die wir hier in Plum Village fördern wollen (…)
Im weiteren Verlauf dieses talks spricht Thay Phap Luu über Achtsamkeit und den Weg zur Harmonie – innerer Harmonie ebenso wie Harmonie mit der Welt – und den Umgang mit dem “Nicht-Wissen”.
We don´t know what will happen in the future. (…) so use this moment wisely.
Ich habe nicht alles übersetzt, weil es für mich (empfinden das andere auch so?) auf Deutsch schnell abgegriffen oder trivial klingen kann. Daher also noch ein Stück Text auf Englisch. Den Rest des talks, in dem er wie gesagt, auch konkret auf die Klimakrise eingeht, findet Ihr hier).
Und: alle hier genannten Lehrer bzw. auch Plum Village freuen sich über Spenden, wenn Ihr die Vorträge hilfreich findet.
“I am a stuart of my own body and mind. I want to live in harmony with the earth . But I know that one ideology will never be enough to solve the problem of climate change, will never be enough to bring the climate into balance. If I am not in balance in myself , how could I ever expect to bring balance to the earth? And I look deeply every day with the eyes of non-self to see that this body is not me (…) in order to be able to see that mother earth is also not me. That we are not seperate. And that the imbalance inside of me is not seperated from the imbalance in mother earth, the imbalance of the climate. That is my practice. And I know that if the feeling of fear and anger overwhelm me, I will not be able to see that situation – it is because I want so see clearly, how serious the situation of suffering is, that I am taking care of my fear. I am taking care of my anger. It is because I want to act in a way that can bring peace and happyness to the situation. That is a way we can respond. That is the way we can practice.” Thay Phap Luu