Derzeit wird in den Medien ausführlich über die Akzeptanz von Verboten und Verzicht diskutiert – als bedeute die Klimakrise nicht einen immensen Verzicht und Verlust für uns alle, wenn wir so weitermachen wie bisher. Aber Verbote? Bloß nicht. Verbote bedeuten Einschränkung, Gängelung und Verzicht. Dafür gibt es, so heißt es, gesellschaftlich keine Akzeptanz.
Was in der Diskussion fehlt: All das, worauf wir längst schon verzichten. Verzichten müssen. Saubere Strände. Gesunde Wälder. Tierarten. Pflanzenarten. Luft ohne Abgase. Sauberes Wasser. Unbelastete Lebensmittel.
Wir nehmen wöchentlich so viel Mikroplastik auf, dass es einer Kredit-Karte entspricht, wir leben mit Asthma, mit Krebserkrankungen, wir beklagen Hitzetote und das Elend der Klimaflüchtlinge, wir müssen nach jeder Schreckensmeldung zur Erderhitzung unsere Zukunftsängste wieder verdrängen, verleugnen – um weitermachen zu können wie bisher.
Aber bloß keine Verbote, keine Einschränkung, wir wollen keine Gängelung, kein Moralisieren, und niemanden, der uns den Spaß verdirbt. Was für ein Preis, den wir alle dafür zahlen, dass wir (noch) auf nichts verzichten müssen.
Wir persönlich verzichten zum Beispiel auf einen blühenden Garten. Auf ein Stück Rasen. Das Grün und die Blumen sind dieses wie letztes Jahr seit Juni verbrannt, die Himbeeren vertrocknet, so viel kann man gar nicht gießen. Also werden wir Pflanzen setzen müssen, die der Hitze gewachsen sind.
Verzichten muss ich inzwischen auf viele Sommertage draußen, im Juli, August; Ferientage, die ich früher geliebt habe. Bei den extremen Temperaturen halte ich es nur drinnen in abgedunkelten Räumen aus. Also zur Abkühlung in den nahegelegenen Schwarzwald – dort liegen wir schlaflos im Bett, vollgepumpt mit Musik und dröhnenden Bässen, da helfen keine Ohrstöpsel. Bis zwei Uhr nachts. Es ist Sommerskispringen im nahe gelegenen Hinterzarten, und natürlich lässt sich so ein Riesen-Event nicht verbieten. Bloß dass im Sommer hier ein Event das andere jagt, von Red Bull und Rothaus gesponsert. Die Freiheit der einen schränkt eben die der anderen ein.
Verzichten müssen wir auch auf die Stille in den Städten, die es früher am späten Abend gab, ob Paris, Amsterdam, oder London – keine Innenstadt mehr ohne Shopping bis Mitternacht. Ohne Fastfoodketten. Kein Bürgersteig mehr ohne Einwegmüll. Verzichten müssen wir auf den Zauber Venedigs, wenn gerade wieder ein Kreuzfahrtschiff, höher als jeder Palazzo, die ganze Aussicht versperrt.
Immerhin, all diese Städte lassen sich prima mit dem Zug erreichen. Wir verzichten nämlich gerne darauf, uns beim CheckIn zum Flug wie Vieh durch Absperrungen jagen zu lassen. Manchmal fühlt sich Verzicht auch an wie neu gewonnene Autonomie.
Verzichten müssen wir allerdings auf die Nachtzüge, die auf deutschen Strecken gestrichen wurden. Doch den „Nachtzug nach Lissabon“ gibt es, und es ist ein unglaubliches Erlebnis, frühmorgens aus dem Zug zu steigen und sich in diese Stadt zu stürzen. Sie ist schön. Immer noch.